Mensch & Verantwortung
Kolumbien

Das Tchibo Kaffee-Länderprogramm (10)

Liebe Leserinnen und Leser,

heute berichte ich aus Kolumbien, um genauer zu sein aus Huila und Tolima. Mit einer Produktion von ca. 3,2 Millionen Sack (60kg green coffee) in Huila und ca. 1,6 Millionen Sack in Tolima zählen die beiden südlichen Bundesstaaten heute zu den wichtigsten und produktivsten Kaffeeanbauregionen Kolumbiens. Während in der klassischen „Eje Cafetera“ (Antioquia, Caldas, Risaralda, Quindio und Valle de Cauca) die Produktion von Kaffee teilweise rückläufig ist und Farmer auf andere Produkte, wie zum Beispiel Avocado oder Limetten umstellen, blicken die Produzenten im Süden des Landes optimistischer auf das Kaffeegeschäft. Wohl auch, weil die diesjährige Haupternte (von Oktober-Dezember) in Huila und Tolima gut ausfällt und die Kaffeepreise auf hohem Niveau sind. Für viele ist das eine Kompensation für die letzten beiden schwierigen Jahren mit extremen Regenfällen und langen Dürreperioden, in denen viele Farmer kaum ihre Produktionskosten decken konnten. 

Um euch ein bisschen Kontext zu geben: Wir ihr wisst, arbeiten wir bei CRC an dem Roll-Out unseres Kaffeeprogramms in unseren wichtigsten Herkunftsländern. Also auch in Kolumbien. Gemeinsam mit unserem langjährigen Geschäftspartner und Exporteur „Expocafé“ sowie vier verschiedenen Kooperativen arbeiten wir im Rahmen eines Projekts daran, die Produktivität der Kaffeefarmer zu steigern und die Weiterverarbeitung (das „Waschen“ des Kaffees) umweltschonend zu gestalten, das heißt Wasserverbrauch und Wasserverschmutzung zu reduzieren. In Kolumbien ist es nämlich üblich, dass die Produzenten die gesammelten Kaffeekirschen direkt auf der Farm waschen und trocknen und dann den Kaffee „pergamino“ bzw. das Parchment verkaufen. Je nach Infrastruktur und Prozess kann der Wasserverbrauch für die Produktion von einem kg Parchment zwischen einem und 20 Liter Wasser liegen. Unter anderem für die Umstellung auf effizientere Systeme stellen sowohl wir als auch die Kooperativen finanzielle Mittel zur Verfügung. Damit allein ist es selbstverständlich nicht getan. Wir sorgen dafür, dass die Farmerinnen und Farmer regelmäßig Unterstützung durch Agronomen erhalten und organisieren größere Trainings, in denen wir auch den Austausch der Farmer und Farmerinnen untereinander fördern wollen. Darüber hinaus führen wir Bodenproben durch und erstellen basierend auf den Ergebnissen Pläne zur Düngung der Kaffeebäume. Neben der Anwendung von guten Anbaupraktiken ist der richtige Einsatz von Düngemitteln ein wichtiger Faktor für die Produktivität der Farmen.

Um euch ein besseres Gefühlt dafür zu geben, was das eigentlich bedeutet, möchte ich euch zwei Produzentinnen vorstellen: William Jr. Und Dona Marina. William ist 26 Jahre alt und lebt zusammen mit seinem Vater in einer Finca, ca. 1,5 Stunden von Chaparral entfernt in den Bergen von Tolima. Die letzten Meter müssen wir zu Fuß gehen. Mit dem Auto ist die Farm nicht zu erreichen. In der Nähe der Finca gibt es eine Schule, eine kleine Kapelle und ein paar Läden, in denen man das Nötigste kaufen kann. William und sein Vater bewirtschaften ca. 5 Hektar Land, auf denen überwiegend Kaffee angebaut ist. Nur vereinzelt sind Avocado-, Bananen-, Limetten- Bäume und Zuckerrohr auf den steilen Hängen zu erkennen. Die Früchte der Obstbäume sind für den eigene Gebrauch und die Pflücker. Schattenbäume gibt es wenige, Agroforstsysteme sind in dieser Region Kolumbiens nicht weit verbreitet. Einige Kaffeelots befinden sich in Renovation. Das heißt: Die alten, nicht mehr ertragreichen Kaffeebäume wurden abgeholzt, neue gerade erst eingepflanzt. Die regelmäßige Erneuerung einzelner Lots, ist eine der Praktiken, die dabei helfen soll, die Produktion kontinuierlich auf einem hohen und gleichmäßigen Niveau zu halten. Die Kaffeesetzlinge zieht William in seiner eigenen „Nursery“ selbst an. Er erklärt, worauf es dabei ankommt; nur die Gesunden Pflanzen mit stabilen, nach unten gewachsenen Wurzeln werden eingepflanzt, sobald der Stiel der Pflanze holzig wird. Auf der Farm von William gibt es bereits eine wassersparende Maschine, mit der die das Fruchtfleisch und die Zuckerschicht gelöst werden. Im Vergleich zum klassischen Prozess wird hier nur ca. 1 Liter Wasser zur Herstellung von einem Kilogramm Parchments verbraucht, weil die Zuckerschicht maschinell abgelöst wird und kein wasserintensiver Fermentierungsprozess stattfindet. William und sein Vater berichten allerdings auch von Herausforderungen. Es ist nicht so einfach, Pflücker zu finden und die Preise für Arbeit und Düngemittel steigen. Außerdem gab es in den letzten Jahren auf Grund des Starkregens kleinere Erdrutsche, die ein paar Bäume mitgerissen haben. Es gibt einige Dinge, die die beiden in Zukunft noch verbessern wollen.

Während William sich nicht vorstellen kann die Finca zu verlassen, leben die (erwachsenen) Kinder von Dona Marina inzwischen alle in der Stadt. Sie managt die Farm allein, bekommt hin- und wieder Hilfe von ihrem Bruder, der nebenan ebenfalls ein paar Hektar Kaffee anbaut. Marinas Farm liegt ca. 45 Autominuten von Garzón (Huila) entfernt, ist ungefähr 2,5 Hektar groß neben Kaffee hat sie unmittelbar vor ihrem Haus, dort wo das Grundstück noch nicht komplett steil abfällt einen kleinen Gemüsegarten. Viele der Kaffeepflanzen haben während der intensiven und langen Trockenzeit etliche Blätter verloren. Das kann sich vor allem auf die nächste Ernte auswirken, da die Bäume zunächst neue Blätter produzieren werden – zu Lasten der Blüte.

Auch Marina verarbeitet den Kaffee (wie 93% der kolumbianischen Farmerinnen und Farmer) selbst. Dabei nutzt sie die traditionelle Methode: Maschinell wird die äußere Schale und das Fruchtfleisch entfernt, dann werden die Kaffeebohnen in Wassertanks fermentiert und danach erneut gewaschen, um die Zuckerschicht zu entfernen. Dabei werden bis zu 20 Liter Wasser pro einem Kilogramm Parchment verbraucht. Da ein Unterwetter ihr Trockenbett beschädigt hat, muss Marina das Parchment aktuell als nasses Parchment verkaufen, wofür sie einen deutlich geringeren Preis erhält. Für eine weitere Herausforderung, nämlich den Transport des Parchments zur nächsten „Buying Station“ in Garzón hat Marina zumindest schon eine Lösung gefunden. Es gibt eine Art öffentlichen Nahverkehr, das heißt, regelmäßig kommen Jeeps an ihrem Haus vorbei. Einige der Fahrer kennt sie gut. Diese nehmen ihren Kaffee mit nach Garzón und geben ihn dort bei der Kooperative ab. Diese überweist das Geld dann direkt auf Marinas Handy.

Während der Reise nach Kolumbien habe ich viele weitere Kaffeefarmerinnen und Farmer kennengelernt und wieder bestätigt sich: Es gibt nicht den oder die Kaffeefarmerin. Die Bandbreite ist riesig. Neben Marina und William ist da ist zum Beispiel Daniela, die mit 29 Jahren ein eigenes Speciality-Business aufgebaut hat. Sie hat ein eigenes Team von Pflückerinnen und bewirtschaftet verschiedene Mikrolots (Geisha, Yellow Burbon, Red Java…) auf der Familiengeführten großen Finca in Trujillo (Valle de Cauca). Ihre Kaffees stehen in den hippen Cafés Bogotás und werden in die ganze Welt verkauft. Da ist aber auch die indigene Familie, die auf weniger als einem Hektar Kaffee, Bananen und Avocados anbaut, einen kleinen Fischteich und einige Hühner besitzt, oder der Farmer, der versucht mit Bienenzucht und dem Verkauf von Honig ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.

Was hier deutlich werden soll: All diese Menschen, all diese (Kaffee-)Farmerinnen und Farmer haben ganz unterschiedliche Geschichten, Voraussetzungen, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche. Es reicht nicht aus, einen Standard vorzugeben und damit die Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu begründen. Die Unterstützung muss auf die individuellen Herausforderungen einzahlen, damit wir langfristig Impact erzeugen können. Genau das wollen wir in Kolumbien, aber auch in unseren anderen Herkunftsländern schaffen! Mit unserem neuen Programm stärken wir unsere langfristigen Partnerschaften und unterstützen Kleinfarmer bedarfsorientiert. Die Steigerung der Produktivität und die Implementierung effizienten und umweltschonenden Praktiken und Infrastruktur sind dabei wichtige Maßnahmen, die zur Verbesserung des Einkommens und der Lebensqualität der Farmerinnen und Farmer führen. Mit unserem Programm in Kolumbien stärken wir außerdem die Kooperativen, die eine wichtige Rolle für die gesamte Community in den entsprechenden Regionen hat. Die Kooperativen unterstützen nicht nur die Kaffeefarmer ganzjährig mit technischer Expertise, sondern sichern auch den Zugang zu Düngemitteln, Finanzierung, Vermarktung. Sie betreiben Cafés, Hotels, Kitas, wichtige Treffpunkte, die die Lebensqualität in Orten wie Chaparral oder Garzón verbessern.

Tchibo hat übrigens schon in der Vergangenheit Projekte in Kolumbien umgesetzt, in den Regionen Antioquia, Narino und Stantander. Unsere Exportpartner arbeiten auch heute noch mit den Produzenten zusammen und unsere Kollegen und Kolleginnen kaufen auch heute noch Kaffee in den entsprechenden Regionen.

Lieben Gruß aus Kolumbien,

Lena